Keine Obergrenze für die Wohnfläche beim Eigenbedarf

Die Gerichte haben grundsätzlich zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich oder seine Angehörigen als angemessen sieht. Sie sind daher nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters zu setzen.

Nur weit überhöhter Wohnbedarf schadet dem Eigenbedarf

Der vom Vermieter geltend gemachte Wohnbedarf ist nicht auf Angemessenheit, sondern nur auf Rechtsmissbrauch zu überprüfen. Rechtsmissbräuchlich ist nicht schon der überhöhte, sondern erst der weit überhöhte Wohnbedarf. Die Wertung, ob der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist, haben die Gerichte unter Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände zu treffen (Bundesgerichtshof
Urt. v. 04.03.2015, Az.: VIII ZR 166/14).

Eigenbedarf kennt keine Richtwerte für die Wohnfläche

Es lassen sich keine Richtwerte (etwa Wohnfläche) aufstellen, ab welcher Grenze bei einem Alleinstehenden von einem weit überhöhten Wohnbedarf auszugehen ist. Denn diese Beurteilung hängt nicht allein von der in Anspruch genommenen Wohnfläche oder der Anzahl der Räume ab, sondern von einer umfassenden Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls.

Gegenstand der Auseinandersetzung war eine etwa 125 qm große 4-Zimmerwohnung, die der 22-jährige Sohn des Vermieters beziehen wollte. Der studierende Sohn wollte einen eigenen Hausstand gründen. Dabei wollte er mit einem befreundeten Studienkollegen eine Wohngemeinschaft bilden.

Den geltend gemachten Wohnbedarf sah der BGH nicht als weit überhöht an.

Zudem sei der Wunsch, mit einem Freund in einer Wohngemeinschaft zu leben, in der pluralistisch und liberal geprägten Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland ebenso anerkennenswert wie der Entschluss, eine Lebensgemeinschaft zu bilden. Bei einer Wohngemeinschaft handele es sich um eine in der heutigen Gesellschaft häufiger anzutreffende und vor allem unter Studenten weit verbreitete Lebensform. Ließe man den vom Vermieter mitgetragenen Wunsch seines Sohnes, mit dessen langjährigen Freund und Studienkollegen eine Wohngemeinschaft einzugehen, bei der Bemessung seines Wohnbedarfs außer Acht, liefe dies darauf hinaus, seinem Wohnkonzept und seinen Lebensvorstellungen weniger Gewicht einzuräumen als einer Bedarfsperson, die in der vermieteten Wohnung eine nichteheliche Lebensgemeinschaft begründen wollte. Dafür gäbe es aber keine sachlich einleuchtenden Gründe. Der Entschluss eines Alleinstehenden, eine kameradschaftliche Wohngemeinschaft zu bilden, sei ebenso schützenswert wie der von Lebensgefährten gefasste Entschluss, gemeinsam eine Wohnung zu beziehen.

Johannes Steger

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